CD-Besprechungen aktuell
Hier werden, wie vormals im Print-Magazin, verschiedenste CDs vorgestellt.
Soweit nicht anders genannt, alle Reviews von Manfred Hesse
Ian Munsick – White Buffalo
(VÖ: 07.04.2023)
„Der aus Wyoming stammende Ian Munsick zeichnet mit seinem zweiten Album White Buffalo, das am 7. April erscheint, ein rasantes, temperamentvolles Porträt des amerikanischen Westens. Das 18-Track-Album enthält ungefilterte Geschichten über Romantik und Ranchleben, hart arbeitende Hymnen mit Honkytonk-Hooks und Oden an die Familie und den ewig jungen Spaß in den Bergen.“
So beschreibt Bear Family das neue Album von Ian Munsick. An die nasale, schneidende Stimme muss man sich erst einmal gewöhnen. Der Akzent des Ranchers aus Wyoming tut sein Übriges. Ob man die Fans mit rockigen Arrangements von den Vorzügen des Westens und des einfachen und grundehrlichen Lebens überzeugen kann, bleibt dahingestellt. Mit Kollege Cody Johnson hat Ian Munsick und “Long Live Cowgirls“ einen Chart Hit vorzuweisen, der mit fortschreitender Spieldauer eher langatmig wirkt. Ian Munsick setzt seine Stimme sehr eigenwillig in Szene, etwa bei “Dig“, wo er sich an Falsett ausprobiert. Das sind oft gehörte Rock Balladen, von denen es auf dem 18 Tracks umfassenden Album reichlich gibt. Der Titelsong sticht ein wenig hervor und kann einigermaßen überzeugen. Auch das Duett mit Vince Gill, “Field Of Dreams“, in welchem Vince Gill bis auf sein geniales Gitarre Spiel völlig untergeht, kann kein Highlight sein. Da hätte man besser zwei Alben veröffentlicht. So kann die Interpretation von Ian Munsick leicht einmal stressig werden. Der junge Mann aus Wyoming will hier einfach zu viel beweisen.
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Jenna Paulette – (I’m gettin‘ back to) The Girl I Was
(VÖ: 31.03.2023)
Wenn man wie Jenna Paulette in Texas geboren und in Oklahoma aufgewachsen ist, saugt man Country Music sozusagen mit jedem Atemzug ein. Kein Wunder also, dass sie sich einer Country Music widmet, die bodenständig und traditionell gegründet ist. Das kurze Intro, “Home On The Range“, ein Retro Walzer, lässt auf ganz alte Musik hoffen. Dann wird mit “Fiddle And Violin“ klar, dass hier eine moderne Frau ihre eigene Sicht auf Country Music hat. Geschmeidig auch der Titel “Anywhere The Wind Blows“, der auch gut im Radio platziert werden kann. “You Ain’t No Cowboy“ markiert eine feminine Ballade und “Bless Her Heart“ bearbeitet das gleiche Thema in einem rockigeren Arrangement. Der Titelsong ist eine Selbstreflexion nach einer gescheiterten Beziehung und die Feststellung, dass Jenna Paulette sich gefangen hat und mit sich wieder im Reinen ist. Ein sehr gefälliger Titel. Mit Track 16, einem Outro mit dem bekannten Walzer Thema des Intros, endet das Album “The Girl I Was“ von Jenna Paulette. Das Debütalbum ist durchaus gelungen wenngleich die Abwechslung von eher traditionellen Aufnahmen mit etwas mehr
*************************************************************************************Mainstream orientierten Songs an ein festgelegtes Muster erinnert. Keine echten Highlights, dafür solide Unterhaltung und das wars.
Ray Scott – Wrong Songs: Musings From The Shallow End
(VÖ: 31.03.2023)
Er provoziert gern und reichlich. Schon das Cover Bild des neuen Albums “Wrong Songs: Musings From The Shallow End“ zeigt einen Ray Scott, der als Beethoven verkleidet sehr seriös vom Notenblatt aufblickt. Doch der erste Titel ist mit seinem nicht ganz jugendfreien Text eine Kehrtwendung des ersten Eidruckes. Im “Love Song“ gibt es eine Botschaft, dass allzu gedankenlos eingegangene Beziehungen auch mal zum Urologen führen können. Provokation Nummer Zwei. Von Track zu Track werden Zoten, Kraftausdrücke und Anzüglichkeiten in die Texte gepackt. So wird klar, warum das Album “Wrong Songs“ heißt. Eine Anleihe an Johnny Cashs Sprechgesang hat Ray Scott im Titel “Robertson County Lock-Up Blues“ zelebriert. Nach 26 Minuten ist die Parade der provokanten Texte beendet. Manche sind in gängige Honky Tonk Klänge verpackt. Andere beinahe unschuldig in Cha-Cha-Cha oder Two-Step Arrangements verkleidet. Obwohl man dem Bass von Ray Scott gern zuhören mag, sind die Inhalte dieser 8 Tracks auf seinem Album “Wrong Songs: Musings From The Shallow End“ ein Spiegel seiner Rebellion und eines Outlaw Images. Das ist nichts für, Verzeihung, Klosterschwestern.
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Chancey Williams – One Of These Days
(VÖ: 24.03.2023)
Es kann keinen Nachfolger für den Rodeo Helden und Country Musiker Chris LeDoux geben. Aber wenn man das Genre, das LeDoux bediente einmal neu erleben möchte, ist man bei Chancey Williams an der richtigen Adresse. Williams ist selbst auch Rodeo Artist und tritt mit seinem fünften Album “One Of These Days“ wieder mit 12 Tracks in einem neotraditionellen Western/Rodeo Style an. Mit treibendem Beat beginnt das Album mit dem Titel “The Saint“ und lässt offen, ob es sich bei der Beschreibung eines Kriminellen oder eines Heiligen handelt. Hat man die ersten Titel gehört, erklingt plötzlich mit “On The Tear Tonight“ ein total irisch geprägter Kneipen Hit, der so in jedem Irish Pub für Furore sorgen würde. Originell und zum Mitfeiern geeignet. “Blame It On The Rain“ zeigt, dass Chancey Williams auch Balladen kann. “Land Of The Buffalo“ unterstreicht noch einmal, dass auch die harten Rodeo Kerle mitunter eine weiche Seite zeigen. “Only The Good Ones“ kommt beschwingt daher und thematisiert dennoch die fragile Beziehung zwischen Mann und Frau. “Talk About A Memory“ setzt das Thema Beziehung bis zum Verlust fort. Mit fordernden Drums treibt “Rodeo Time“ voran und glorifiziert das Leben als Rodeo Artist. Mit dem Dustin Evans Titel “If I Die Before You Wake“, den Jimmy Weber 2010 auf seinem nach ihm benannten Album aufgenommen hat, präsentiert Chancey Williams eine Hommage an die amerikanischen Soldaten, die voller Überzeugung für das freie Leben überall auf der Welt in den Krieg ziehen. Ob das immer so gelten kann, das muss jeder selbst für sich entscheiden. Das Album “One Of These Days“ bietet Testosteron geschwängerte Titel zwischen Ledersätteln und dem was echte Kerle zu genau diesen macht.
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Kristian Bush – 52 – This Year
(VÖ: 10.03.2023)
Gleich vorweg. Auch dieses (vierte) Album seiner Serie “52“ mit dem Titel “52 – This Year“ ist wieder ein Rundumschlag durch die musikalische Welt von Kristian Bush. Country Pop, purer Pop, Country Music Verweigerung und Ausflüge in alle möglichen Genres können Country Music Fans nicht begeistern. Trotz allem zeigt Kristian Bush, dass er mit seinem musikalischen Genie keine Grenzen anerkennt und weiterhin als Solo Künstler einen Weg beschreitet, auf dem ihm nicht viele Fans folgen möchten. Unter den 14 Tracks des Albums mögen durchaus Titel sein, die ihre Freunde finden können. Vier Alben, angefüllt mit solchem Sammelsurium, mag ihn als Künstler beschreiben. Das wars aber auch. Ach, was waren die Sugarland Zeiten doch so angenehm.
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Luke Combs – Gettin‘ Old
(VÖ: 24.03.2023)
Schon längst hat die Country Music Welt bemerkt, dass Luke Combs einer der bemerkenswertesten Songschreiber und Interpreten der jüngsten Vergangenheit ist. Er bekam zuletzt jede Menge Preise und Ehrungen, u.a. die höchste Auszeichnung der CMA als Entertainer Of The Year 2022, und hat nun mit seinem vierten Album “Gettin‘ Old“ die Fortsetzung des Vorgänger Albums “Growin‘ Up“ am Start. Kompromissloser Country Rock wie bei “Hannah Ford Road“ bleibt trotz aller Erwartungen allein auf weiter Flur. Luke Combs kann mit seiner Stimme, die kein Weghören gestattet, aus jeder Ballade ein Ereignis machen. So sind die eindringlichen Balladen der durchgehende rote Faden neben dem Sujet des “Erwachsenwerdens“, welches auf das “Aufwachsen“ folgt. Schon der Opener “Growin‘ Up And Gettin‘ Old“ beginnt wortgewaltig über das Leben nachzudenken und wieviel Zeit denn bleibt um sein eigenes Dasein zu gestalten. “Back 40 Back“ beklagt die Geschwindigkeit mit der sich die Welt um uns herum verändert. Beinahe zärtlich erzählt Luke Combs in “The Beer, The Band And The Barstool“ von der Einsamkeit und dem Abhängen in der Kneipe. Sein Liebesbekenntnis in “Still“ hat so gar nichts von Schnulze und ist dennoch nachvollziehbar schmachtend. Luke Combs kann so etwas. Mit dem einfachen Titel “Joe“ thematisiert er das sehr ernste Thema des Alkoholismus. Sehr ernsthaft setzt sich Luke Combs mit der eigenen Vergänglichkeit im Titel “My Song Will Never Die“ auseinander, wenn er hofft, dass sein Song noch von irgendwem gesungen werden wird wenn er längst nicht mehr ist. Ein verstecktes Schielen auf das „ewige Leben“? Mit diesem zehnten Track hätte das Album “Gettin‘ Old“ ja schon zu Ende sein können. Luke Combs hängt aber noch weitere acht Tracks an. Bei “See Me Now“ und “Take You With Me“ geht es um Vergangenheitsbewältigung und Erinnerung an Vater und Großvater und berührt ganz sicher. Überraschend die Coverversion des Tracy Chapman Welterfolges “Fast Car“. Mit der bitteren Betrachtung auf das Leben als Künstler wenn die Lichter ausgegangen sind und die Einsamkeit fern von der Liebsten daheim zuschlägt, ist das Thema des letzten Titels des beeindruckenden Albums “Gettin‘ Old“ von Luke Combs. Obwohl es auch durchaus weniger als 18 Titel hätten sein dürfen, ist diese Zusammenstellung teils autobiografischen Songmaterials absolut beeindruckend und hörenswert.
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The Mavericks – In Time 10th Anniversary Deluxe
(VÖ: 03.03.2023)
Warum nicht? Zehn Jahre nach der Erstveröffentlichung des Albums “In Time“ der Tex-Mex-Country-Rock Band The Mavericks nun eine, um drei weitere Tracks erweiterte, Deluxe Edition auf den Markt zu werfen, ist eine gelungene Erinnerung an die großen Zeiten der Band um Raol Malo, der mit seinem Gesang den Sound der Band prägte. Den ursprünglichen Titeln wurde zunächst “Tonight Is The Night“ angefügt. Eine Ballade, die eher ein Musical Ambiente bedarf als ein Country, Tex-Mex oder verwandtes Ambiente. Hörenswert dennoch. Allein die Retro Gitarren sind gigantisch und rechtfertigen die über vier Minuten Spieldauer. Wie wunderbar ist die Erinnerung an Glen Campbell und sein “Gentle On My Mind“. Diese Version ist respektvoll dicht am Original und doch modern im Sound der Mavericks gehalten. Auch eine gute Idee ist die veränderte Aufnahme des ursprünglichen Schlusstitels “Ven Hacia Mi (Come Unto Me) erneut als Schlusstitel einzusetzen. Diesmal ohne die gewaltigen Bläsersätze. The Mavericks waren nie eine Country Band und hatten mehr Schulterschluss mit mexikanischer Folklore und Jazzklängen. Diese Musik sollte man sich aber hin und wieder gönnen.
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Carly Pierce – 29: Written In Stone – Live From Music City
(VÖ: 24.03.2023)
Vor lauter “29“ benannten Veröffentlichungen von Carly Pearce kommt man völlig durcheinander. Erst gab es “29: Written In Stone“ dann die EP “29“ und nun ihr erster Livemitschnitt “29: Written In Stone – Live From Music City“. Und was steckt drin in dem Mitschnitt? Na klar, alle Titel der EP und des Albums aus 2021. Hier und da ein wenig Zugabe und schon ist das Konzert fertig. Natürlich stechen die Hits wie “Next Girl“ und “Never Wanted To Be That Girl“, der Hit mit Kollegin Ashley McBryde, hervor. Wer Lust auf ein, von Fan Gekreische nur so strotzendes, Album mit 19 Tracks, die alle mehr oder weniger gleich klingen, ist hier richtig. Bekannt sind die Titel alle. Auch live ist der Eindruck nicht überwältigend.
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Henry Wagons – South Of Everywhere
(VÖ: 03.02.2023)
Henry Josef Wagons ist ein Interpret aus Australien, der in “Down Under“ auch als Frontmann einer Country Rock Band auftritt und zudem in Radio und Fernsehen als Moderator fungiert. Mit “(Don’t Be) Down And Out“ beginnt sein Album “South Of Everywhere“ im Alternative Style und ist mehr gesprochen als gesungen. Doch gleich folgt eine Ballade mit “I Don’t Know When It Is I’m Gonna Die“, die Frage nach dem eigenen Ableben, die vielleicht schon einmal jeden berührt hat. Henry Wagons hat einen lockeren Blick auf Country Music wie es in Australia von vielen Interpreten zelebriert wird. Die eher mittelmäßigen gesanglichen Fähigkeiten lassen ihn viel Sprechgesang darbieten, gepaart mit Alternative Instrumentalbegleitung. Auch hätte ein wenig mehr “Aufräumen“ bei der Produktion dem Album gutgetan. Nach 11 Tracks hat man es geschafft und die Demonstration eigenwilliger Interpretation von Country Music durch Henry Wagons überstanden. Das ist nur für Fans oder Sammler von Musik aus Australien zu empfehlen.
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High Valley – Way Back Deluxe Edition
(VÖ: 20.05.2022)
Immer wenn ein Album mit Deluxe Edition angekündigt ist, sollte man genau hinsehen. Schon ein Jahr alt ist das sechste Album “Way Back“ der kanadischen Band High Valley. Nun soll eine Deluxe Edition erneut die Konsumenten anziehen. Also haben High Valley das Ursprungsalbum, welches 13 Tracks umfasste, mit fünf weiteren Aufnahmen ergänzt, allesamt Remix Pop Music. Diese Deluxe Versions können Fans echter Country Music nicht begeistern. Okay, das Album “Way Back“ aus 2022 hatte auch nur Pop Country zu bieten. Insofern fragt man sich, wie der Album Titel gemeint sein könnte. Zurück zu was? Zu guter echter Country Music ganz sicher nicht. Kann man mal hören. Radio Play ist hier und da sicher zu erzielen. Die Pop Beats ermüden mit der Zeit. High Valley sollen laut Wikipedia in den Genres Country, Gospel und Bluegrass zu Hause sein. Von alledem ist auf dem Album “Way Back“ und jetzt auf der Deluxe Edition nichts zu merken.
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Hunter Hayes – Victory
(VÖ: 21.04.2023)
Mag er auch ein Multiinstrumentalist sein, was Hunter Hayes mit seinem Album “Victory“ abgeliefert hat, ist unerträgliche Pop Music, die in der Country Sparte absolut nichts verloren hat. Dieses Boy Group Gehabe und die Pop Arrangements sollten auch in diesem Genre stattfinden. Wann hören Publisher, Manager und PR Agenten endlich auf, solche Musik als Country Music verkaufen zu wollen. Fans von Country Music werden sich hier mit Gänsehaut abwenden. Diese halbe Stunde wäre gestohlene Lebenszeit für Country Music Fans. Zur Ehrenrettung von Hunter Hayes sei erwähnt, dass er selbst sich neben Country auch als Pop Music Interpret versteht.
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Jake Ybarra – Something In The Water
(VÖ: 07.04.2023)
„Jake Ybarra ist ein echter Nachfahre einer starken texanischen Songwriter Tradition. Denken Sie an die Seele von Guy Clark, die Weisheit von Rodney Crowell, die Poesie von Townes Van Zandt, den Witz von Kris Kristofferson und den Überlebensinstinkt von Steve Earle und Sie bekommen eine Vorstellung davon, wozu Jake Ybarra fähig ist.“ So schrieb Greg Victor (parcbench.live) in seiner Rezension des Debütalbums von Jake Ybarra. Tatsächlich kann man in den zehn selbstgeschriebenen Songs des bereits mit vielen Vorschusslorbeeren versehenen Singer/Songwriters jede Menge Anlehnungen an die Lyrics der von Greg Victor genannten Künstler erkennen. Jake Ybarra verfügt über die Gabe, Songtexte zu schreiben, die einerseits metaphorisch und gleichzeitig so präsent sind. Für einen Mann Mitte Zwanzig steckt da viel Lebenserfahrung drin und meist sind es bittere, manchmal bittersüße Erlebnisse und Gefühle, die in seinen Titeln verarbeitet werden. Das alles kam nicht von ungefähr. Jake Ybarra stammt aus einer Musikerfamilie. Geboren in Texas, aufgewachsen in South Carolina und nun in Nashville lebend, scheint sein musikalisches Schaffen sowohl des handfesten texanischen Storytellings, als auch feineren Zeilen mit geradezu schriftstellerischen Ambitionen verpflichtet zu sein. Auch die Musik und deren Arrangements sind klar traditionsbezogen. Musikalisch setzt Jake Ybarra auf sein akustisches Gitarre Spiel, welches auf seine Texte eher hinführt als ablenkt. “Late November“, der Opener kann schon gleich einmal demonstrieren, wie der Text vom verantwortungsvollen Arrangement umrahmt wird. Beinahe Alternative ist der Song “Blood Line“ und rockt. Gleich darauf folgt mit “Savannah’s Song“ eine Liebeserklärung, die manche Frage offenlässt. Neben dem Opener ist der flotte Titel “A Whole Lot To Remember“ die zweite Singleauskopplung des Albums “Something In The Water“ von Jake Ybarra. Mit weit über vier Minuten hat “Long Winter“ den meisten Raum auf dem Album erhalten. Eine erzählerische Ballade, die die Komplexität und Kompliziertheit einer Beziehung skizziert. Mit der sentimental düsteren Betrachtung des eigenen Daseins ist mit “Call Me By My Name“ der vielleicht schönste Song des Albums gelungen. Oft ist das Arrangement der Songs mit Piano und akustischer Gitarre, manchmal mit Hammond Orgel unterlegt. Immer steht der Gesang im Vordergrund und das Erzählen der Gefühle, Zweifel und verwirrender Gedanken. Die Metaphorik hat den Charakter des Albums “Something In The Water“ von Jake Ybarra vielleicht etwas zu viel bestimmt. Auf jeden Fall ist dieses Album wohltuend anders und sollte jedem Fan besonderer Erzählkunst aus der Seele sprechen.
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The Panhandlers – Tough Country
(VÖ: 03.03.2023)
Drei Jahre nach ihrem Erstlingswerk hat die Band The Panhandlers mit “Tough Country“ wieder ein Hommage Album auf West Texas am Start. Und “tough“ beginnt das Album mit dem Titel “Flat Land“. Wer da eine gemütliche Landschaftsbeschreibung vermutet, liegt ziemlich falsch. Eine typische Kreatur dieses Landes erzählt, dass sie schon dort war, als von Menschen noch nichts zu sehen war. Dass sie beobachtet, wie auch diese Lebensform verschwinden wird und deren Knochen in der Sonne verbleichen. Aus dem Blickwinkel einer Giftschlange, die als Reptilie das Land schon seit zigtausend Jahren ihre Heimat nannte, ermahnt sie die modernen Menschen. Welch ein gewaltiger textlicher Auftakt. Man könnte das Album “Tough Country“ beinahe ein Konzeptalbum nennen, so wie Josh Abbot, William Clark Green, Cleto Cordero (bekannt als Frontmann der Band Flatland Cavalry) und John Baumann die Heimat West Texas darstellen und liebevoll skizzieren. Besonders deutlich im Titel “West Texas Is The Best Texas“. Da stellen die Panhandlers die großen texanischen Städte dem offenen Land, die Hektik und Jagd nach Geld der Städter der Ruhe, dem Frieden und den Sonnenauf- und Untergängen auf dem Land gegenüber. Das gipfelt im Titelsong, der das harte Leben thematisiert, das den Menschen dort abverlangt wird. Mal als Shuffle, mal als Texas Swing, mal als feine Ballade kommen die Songs daher. Viel Zeit bekommt der Titel “Lajitas“, ein Alternative Border Song, der die mexikanische Nachbarschaft behandelt. Immer wieder wechseln die Stimmungen und Tempi auf dem Album “Tough Country“ von The Panhandlers. Abgesehen von den Texten, die immer ein gutes Zuhören lohnenswert sind, ist die Musik abwechslungsreich und beinhalten feine Soli und sind aufmerksam arrangiert. Eine Besonderheit unter den 14 Tracks ist der Titel “The Corner Comedian“. Darin wird mit Sprechstimme aus dem Leben eines armen Teufels erzählt und man kann die Traurigkeit förmlich greifen. Wer auch einmal ohne Charts und Radio Play Music auskommt, stößt hier auf ein besonders feines Werk. Empfehlenswert.
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Ward Thomas – Music In The Madness
(VÖ: 10.03.2023)
Seit 2014 bis 2023 hat das britische Zwillingsduo Ward Thomas fünf Alben veröffentlicht. Das neue Werk heißt “Music In The Madness“ und beinhaltet mit 12 Tracks jede Menge Pop Country. Und genau dafür treten Catherine und Lizzy Ward Thomas auch ein. Sie vermarkten sich als Pop Country Band. Erfolgsverwöhnt sind sie in ihrer Heimat von ihrem Debütalbum “From Where We Stand“ an. Keines ihrer Alben war schlechter platziert als Platz Eins und einmal “nur“ Platz Zwei der UK Country Charts. Der Eindruck zweier Pop Sirenen wird durch den zuckersüßen Harmoniegesang der Schwestern hervorgerufen. Auch die Texte heben oft ab in die undefinierbaren Sphären des Pop Genres. Ein feminines Album dessen Genuss einige Längen offenbart. Freunde romantischer, verklärter Musik und Texten, die nicht unbedingt mit dem wahren Leben zu tun haben, kommen hier auf ihre Kosten. Werden Ward Thomas auch als Country Duo im vereinigten Königreich gelistet und gemocht, hat ihre Musik mit echter Country Musik aber nichts zu tun.
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Rusty Truck – Rusty Truck
(VÖ: 24.02.2023)
Der Frontmann der Band Rusty Truck, Mark Seliger, hat als Fotograf für das Rolling Stone Magazine etliche Jahre gearbeitet. Bei den Music Stars gilt er als ein hervorragender Portrait Fotograf, dem die Stars vertrauen. Nun hat er seiner Leidenschaft für die Musik selbst nachgegeben und das Album “Rusty Truck“ mit den Kollegen der gleichnamigen Band veröffentlicht. Zehn Titel präsentieren selbstgeschriebene (zweimal mitgeschriebene) Texte aus der Feder von Mark Seliger. In feinem Americana Sound beginnt das Album mit dem Titel “Ain’t Over Me“ und bietet eine Fülle an Instrumentierung. Mit seiner langjährigen, freundschaftlich verbundenen, Kollegin Sheryl Crow hat er mit “Find My Way“ das Thema von Romeo und Julia und welche Wege man finden muss, um der Liebe eine Aussicht zu geben, aufgearbeitet. Mit einem starken Instrumentalteil mit einer Hammond Organ bekommt der Song beeindruckenden Tiefgang. Doch schon erklingt mit “Summer 77“ ein rhythmisch eingängiger Titel, der auch im Retro Pop einen Platz finden kann. Bei “Corner Of Life“ ist Kollegin Sheryl Crow wieder dabei und unterstützt die Ballade, die an die Post Sechziger Jahre erinnert. Für “Bless My Soul“ hat er sich Jakob Dylan, ja genau den Sohn der Lyric Legende Bob Dylan, ins Studio geholt. Americana Sound vom Feinsten. “Cowboy Life“ ist dann ein Walzer ganz im Stil vergangener Honky Tonk Abende. Sinnigerweise heißt der letzte Titel des Albums “Rusty Truck“ von der Formation Rusty Truck “Coming Home“ und man hat tatsächlich das Gefühl, dass da jemand angekommen ist. Dieses Album ist nicht nur hörenswert. Es macht Laune.
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The Tender Things – That Texas Touch…
(VÖ: 24.02.2023)
Den Rock hat Jesse Ebaugh aus seiner Zeit als Bassist der amerikanischen Rockband Heartless Bastards mitgenommen in die von ihm gegründete Band The Tender Things. Nach einer LP und einer CD liegt nun das Album “That Texas Touch…“ vor. Man beschreibt die Musik entweder als Headneck Country Rock, Roots Americana, Country Soul oder Hippie Country. Alles klar? Verwirrend, oder? Aber genauso ist die Track Auswahl des Albums “That Texas Touch…“ von The Tender Things. Nach Rock beim Opener “I Can Love“ und Alternative beim Titelsong “That Texas Touch“ folgt ein geschmeidiger Country Song mit “Pale Blue“ und erinnert etwas an die Zeit der Byrds. Mit beinahe sechs Minuten haben The Tender Things dem Titel “My Condition“ die längste Spieldauer eingeräumt und dem experimentellen Psychedelic Arrangement scheint das auch angemessen zu sein. Bis zum ebenfalls episch langen Titel “In The Beginning“, der sinnigerweise den Schluss des Albums “That Texas Touch…) von The Tender Things markiert, hat man ein Wechselbad der Hörerlebnisse absolviert und ist am Ende nicht in der Lage diese Musik in Worte zu fassen. Sehr speziell, sehr ungewöhnlich und ganz sicher absolut nichts für Radio Play oder Charts. Hier sind Fans von sehr eigener Musikauslegung die Zielgruppe.
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Neal McCoy – The Warner Years
(VÖ: 10.02.2023)
Mit “No Doubt About It“ und “Wink“ konnte Neal McCoy 1993 und 1994 zweimal den Platz Eins der Country Single Charts erobern. Sein musikalisches Wirken begann für den Mann mit irischen und philippinischen Wurzeln in den frühen 1980er Jahren und dauert seitdem an. Allerdings kann er sich mit seiner Musik gegen die Mainstream Rock Country Music nur schwer behaupten. War dies ein Grund, mit einem Maximal Album mit 75 Titeln an seine bisherige Karriere zu erinnern. Das ist eine solch geballte Ladung Neil McCoy, dass man wohl kaum in der Lage ist, die mehr als vier Stunden des Zuhörens durchzuhalten. Natürlich ist es eine super Gelegenheit sich mit Neil McCoy musikalisch auseinanderzusetzen. Doch dürfte dieses Projekt für viele Interessenten “too much“ sein. Dafür ist seine Musik nicht herausragend genug.
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Jordan Davis – Bluebird Days
(VÖ: 17.02.2023)
Fünf Jahre sind vergangen zwischen dem Debütalbum “Home State“ und dem neuen Album “Bluebird Days“ von Jordan Davis. Eigentlich wollte Jordan Davis in Nashville als Songschreiber Fuß fassen. Aber warum nicht eigene Veröffentlichungen platzieren? Zu Beginn des neuen Albums könnte man von dem allzu offensichtlichen Mainstream Arrangement bei “Damn Good Time“ irritiert sein. Doch schon mit “Money Isn’t Real“, einer ungewöhnlich konträren Betrachtung zum “American Dream“, und mit “Tucson Too Late“, der Ballade einer vermasselten Beziehung, hat Jordan Davis einen sicheren und Freude bereitenden Bezug zu Country Musik wie sie, auch in der heutigen rockverseuchten Zeit, sein kann und muss. Jordan Davis vergisst aber nicht die Fans der Chart Mucke und der fetzigen Klänge und hat mit dem Radio Kracher “What My World Spins Around“ die richtige Medizin gegen den Blues. Bei “Sunday Saints“ nimmt er vorgetäuschten Glauben aufs Korn und mit kraftvollen Texten würzt er so manchen Song des mit 17 Tracks üppig ausgefallenen Albums. Ja, auch nervige Tracks wie “One Beer In Front Of The Other“ sind präsentiert. Jordan Davis hat aber einen Mix auf dem Album “Bluebird Days“, der einen Bogen spannt zwischen traditionell gegründeter Country Music und der Musik der Jetztzeit. Zum Schluss hat er ein Duett, “Midnight Crisis“, mit Kollegin Danielle Bradbery auf das Album gepackt bevor der Schlusstitel “Buy Dirt“ mit Kollegen Luke Bryan die wichtigen Dinge, die man im Leben machen sollte, thematisiert. Das Album “Bluebird Days“ von Jordan Davis ist sowohl technisch als auch inhaltlich absolut hörenswert. Bitte nicht noch einmal fünf Jahre Wartezeit.
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Kimmie Rhodes & Willie Nelson – Picture In A Frame (Deluxe Edition)
(VÖ: 27.04.2004, 24.02.2023)
Wer kennt Kimmie Rhodes? Sicher nur ganz eingefleischte Fans, die die Texanerin und ihre Karriere verfolgt haben. In den Charts sucht man die Sängerin der eher leisen Töne vergeblich. Was lag 2004 also näher als ein Album mit Willie Nelson aufzunehmen, der mit seiner Laid Back Guitar die 11 Titel des Albums “Picture In A Frame“ so wunderbar in Szene setzt. Zu diesem Album ist eigentlich nicht viel zu sagen. Es wendet sich an Freunde gefühlvoller und einhüllender musikalischen Atmosphäre. Wer da nicht anfängt zu träumen, dem ist nicht zu helfen. Spätestens bei “Rhinestone Highway“ muss man wegschmelzen. Schön, dass man an diese Zeit der Musik erinnert wird. Solch eine Ruhe Oase im Gegensatz zum Getöse des Mainstream Rock Zeitalters ist so wunderbar und wertvoll.
Der einzige Wermutstropfen ist die “Deluxe Edition“, die um einen einzigen Titel erweitert, nun den Fans als alter Wein in neuen Schläuchen präsentiert wird. So was muss nicht sein.
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Muscadine Bloodline – Teenage Dixie
(VÖ: 24.02.2023)
Mit dem zweiten Album machen Charlie Munchaster und Gary Stanton als Duo Muscadine Bloodline mit ihrer Rock Country Music weiter wie bisher. Ihr Album “Teenage Dixie“ umfasst 16 Tracks und hat von dem pubertären Gehabe seit der Erstveröffentlichung kaum etwas verloren. Diese Musik setzt auf Bombastus und lässt feinfühlige Transformation vermissen. Hat man einen Song gehört, hat man alle gehört. Das mag im Konzert wohl funktionieren. Als Album ist es zu einförmig und lädt nicht ein, sich mit den Texten näher zu beschäftigen.
Allerweltsgedröhne. Schade.
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Rob Ickes & Trey Hensley – Living In A Song
(VÖ: 10.02.2023)
Nicht zum ersten Mal veröffentlichen die beiden Ausnahmemusiker ein gemeinsames Album. Der Gitarrist Trey Hensley steht dem vielleicht bekannteren Dobro Spieler Rob Ickes in Nichts nach. Was diese beiden an ihren Instrumenten zu leisten im Stande sind, kann einem beim Zuhören nur die Kinnlade herunterfallen lassen. Mit dem Album “Living In A Song“ haben Rob Ickes und Trey Hensley wieder eine Auswahl ihres Songschreibens oder ihren Coverversionen vom Feinsten. Zugegeben, die Titel ähneln einander sehr. Doch bleibt der Eindruck ganz besonders begabten Musikern zu lauschen. Das ist keine Musik, die die Charts stürmen soll. Hier geht es um etwas Anderes. Eine wunderbare gute halbe Stunde Unterhaltung.
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Billy Strings – Me And Dad
(VÖ: 18.11.2022)
Ob die Botschaft im Song “‘Til You Can’t“ von Luke Combs, übrigens Single Of The Year bei den aktuellen CMA Awards, den Anstoß gab, dass Billy Strings ein längst geplantes Album mit seinem Vater aufgenommen hat, mag spekulativ sein. Auf jeden Fall wollte Billy Strings, mit bürgerlichem Namen William Apostol, das Familien Projekt unbedingt jetzt umsetzen. Seit er sechs Jahre alt war, war er mit der Musik aufgewachsen, die ihm sein Daddy Terry beibrachte und die in der Familie Apostol ständig präsent war. Bluegrass. Kein Wunder also, dass der junge Billy Strings, der Künstlername kommt ja nicht von ungefähr, mehrere saitenbespannte Instrumente erlernte und diese virtuos beherrscht. So bietet das Familien Projekt “Me And Dad“ jede Menge instrumentaler Musik, die schwungvoll und gekonnt in manche Gesangsstücken eingebracht ist. In Nashville entstand das Album unter Mitwirkung von äußerst talentierten und bekannten Musikern wie Bassist Mike Bub, Mandolinist Ron McCoury, Banjo Player Rob McCoury und Fiddler Michael Cleveland. Jerry Douglas mit seinem Dobro und Jason Carter mit der Fiddle komplettieren das Who Is Who der gefragtesten Studio Musiker der Bluegrass Music. Was macht es schon, dass “Daddy Terry“, Terry Barber, nicht unbedingt der überzeugendste Sänger ist. Die Standards der Bluegrass Music halten das locker aus. War doch Bill Monroe auch kein Gesangskünstler. Mit 14 Tracks ist das Album “Me And Dad“ nicht nur ein sympathisches Vermächtnis der Familie von Billy Strings. Es ist vor allem eine Dreiviertelstunde feinster Unterhaltung ohne Computerzeug. Der Schlusstitel lässt dann auch noch Mutter Debra als Gesangspart, wie einst bei der Carter Family, rau und mit unausgebildeter Stimme auftreten. So wird es in einigen Familien in den Appalachen einst geklungen haben.
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Carolyn Mark – Off Season
(VÖ: 18.02.2023)
Ihr Metier ist Alternative Country. Sie kommt aus Kanada, genauer aus British Columbia und ist ganz sicher nur wenigen Insidern bekannt. Mit ihrem Album “Off Season“ hat sie seit 1999 ihr zwölftes Album veröffentlicht. Nun mag Alternative Country nicht unbedingt von Frauen angeführt werden. Carolyn Mark jedoch wäre eine Anwärterin. Die 12 Tracks ihres Albums “Off Season“ bieten jede Menge Unterhaltung auf einem Niveau, welches sich einen Dreck um Radio Play und Mainstream schert. Das macht solche Musik so wertvoll und in diesem Fall absolut hörenswert. Manchmal ist Alternative Country mehr im Vordergrund, manchmal klingt ihre Musik so richtig Country mit feinen Instrumenten eingespielt und Raum gebend für die Instrumental Parts. Carolyn Mark spielt mit ihrem Sopran und setzt zuckersüße Stimme gegen Instrumentierungen, von denen man annehmen könnte, dass sie jeden Augenblick explodieren könnten. Dann wieder hat sie Jazz im Programm wie bei “Killin‘ Time (‘Till Happy Hour)“. Dagegen setzt sie mit “Wish I Was“ einen beinahe Pop Country Titel und bei “None Of Me“ wieder einen Songwriter Style. Bei “Wine Bag“ kommt dann der Alternative Country beinahe als Grunge zur Geltung. Für alle Fans von Alternative Country ist hier einmal eine gute Gelegenheit gegeben, eine gereifte Musikerin und Interpretin in der Mitte ihres musikalischen Schaffens zu erleben.
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Craig Campbell – The Lost Files: Exhibit A
(VÖ: 17.02.2023)
Da hat aber mal einer ordentlich aufgeräumt. Nun, mit dem eigenen Label Grindstone Recordings, sammelt Craig Campbell alle Titel ein, die er ohne vertragliche Verpflichtungen nun unter eigener Verantwortung transportieren kann und fügt einige Tracks hinzu, die bislang weniger oder gar nicht bekannt waren. Gleich zu Beginn lässt er es mit Kollege Travis Tritt mal krachen bei “Lot To Live Up To“. Der Sound erinnert an die 1990er Jahre und schwere Gitarrenriffs unterstreichen diesen Eindruck. Kaum kracht es mal nicht, wie bei “It’s About Time“ wird die Liebste metaphorisch umgarnt. Bro Country folgt bei “Things You Do In A Truck“ mit Kollege Trea Landon. So entsteht ein Sammelsurium von Titeln im Verlauf des Albums “The Lost Files: Exhibit A“. Dann hat Craig Campbell mit “Tractor Songs“ eine feine Country Ballade zu bieten, die vom Sesshaft werden handelt. Man kann ja mal spekulieren, ob es eine “Exhibit B“ geben wird. Ein fein überlegtes und abgestimmtes Album ist “The Lost Files: Exhibit A“ eher nicht. Ein wirtschaftlicher Befreiungsschlag? Für Country Music Fans sei die Motivation für ein solches Album uninteressant zu sein. Begeisternd ist dieses Werk allerdings nicht.
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Dierks Bentley – Gravel And Gold
(VÖ: 24.02.2023)
Das zehnte Album von Dierks Bentley liegt nun vor. “Gravel And Gold“ heißt es und beginnt mit einem schweren Country Rock im Titel “Same Ol‘ Me“. Offensichtlich vorbei sind die Zeiten der unbeschwerten Interpretationen wie seinerzeit “Drunk On A Plane“. Dierks Bentley ist hörbar gereift und geht musikalisch Wege, die zwischen Tradition und Moderne vermitteln. Bei “Heartbreak Drinking Tour“ nimmt Dierks Bentley seine Fans mit auf eine Tour durch die USA nach einer Trennung um wieder irgendwann in der Heimat der Country Music anzukommen. Ein fein erdachter Titel. Bei “Still“ versucht er beinahe behutsam den Unsicherheiten, die jeden Menschen in seinem Leben ereilen, ein Gesicht zu geben. “Beer At My Funeral“ greift ein altes Thema auf, wonach sich Menschen zu Lebzeiten wünschen, dass ihre Beerdigung nicht in Tränen und Gejammer ausarten, sondern als eine Party begangen werden. Der Berliner Liedermacher Klaus Hoffmann in Erinnerung an den genialen Chansonnier Jacques Brel hat es einst auf den Punkt gebracht: „Ich will Musik, will Spiel und Tanz, wenn man mich unter den Rasen pflügt.“ Was Cowboy Stiefel aus einem Menschen machen können, erzählt Dierks Bentley mit Kollegin Ashley McBryde in “Cowboy Boots“. Mit seinem Titel “Gold“ trifft er den Geschmack der Zeit und dürfte wohl für eine lange Weile in den Radio Play Listen zu finden sein. Mit “Walking Each Other Home“ holt Dierks Bentley weit aus, um zu beschreiben, was das Leben im Allgemeinen ausmacht und was uns Individuen zu dem gemacht hat, was wir sind. Im Titel “Ain’t All Bad“ resümiert er, dass nach der schmerzhaften Trennung das Leben weiter geht und dass nicht alles wieder gut ist, aber eben auch nicht alles schlecht ist. Mit 14 Tracks ist das Album “Gravel And Gold“ üppig ausgefallen und bietet eine knappe Stunde bester Unterhaltung. Dierks Bentley präsentiert sich gereifter und sowohl modern als auch traditionsbewusst. Ein richtig gutes Album.
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Iris DeMent – Workin‘ On A World
(VÖ: 24.02.2023)
Iris Dement ist als Singer/Songwriterin einzigartig. Nicht nur ihre Stimme mit dem Vibrato auch ihr Anspruch in ihren Texten markieren sie als eine ganz besondere Interpretin. Sie ist eine empfindsame Seele, eine Humanistin, die angesichts der immer drängender werdenden Probleme in der Welt nach Lösungen sucht. So verwundert es nicht, dass Iris DeMent in ihren 13 Titeln auf dem Album “Workin‘ On A World“ manch heißes Eisen anfasst. Mit dem Titelsong startet das Album und Iris DeMent bekräftigt, dass Engagement jetzt lohnenswert ist und zu einer anderen Welt führt, die man vielleicht nicht mehr selbst erleben wird. In “Going Down To Sing In Texas“ gelingt ihr ein richtiger Rundumschlag. Gegen den Waffenwahn in Amerika, für den Feminismus, gegen kommerzielle Ausbeutung durch Religionen, für Annäherung an Moslems und vor allem gegen den Krieg, wo auch immer er stattfindet. Dabei kleidet sie ihren Text in eine leichtgängige Melodie, die ihre “Erzählung“ untermalt. Damit ist das Album “Workin‘ On A World“ bereits eindeutig charakterisiert. Country Music weder oldtime noch aktuell sucht man bei Iris DeMent vergeblich. Allenfalls Alternative Country. Dafür jede Menge Folk, Americana und Gospel Music. Auch die Texte verlangen nach höherer Aufmerksamkeit. Es ist nicht ganz unbeschwert, ihren Texten zu folgen. Zudem legt Iris DeMent so viel Trauer und Leid in ihre Interpretationen, dass oft eine bedrückende Stimmung entsteht. Das ist keine Musik zum nebenbei hören. Andererseits ist es Musik für Liebhaber und schon gar nichts für Charts und Radio Play. Pur Iris DeMent eben.
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ERNEST – Flower Shops (The Album): Two Dozen Roses
(VÖ: 10.02.2023)
Die Single “Flower Shops“, die Ernest Keith Smith, der sich nur ERNEST nennt, mit Kollege Morgan Wallen auf seinem zweiten Studioalbum “Flower Shops (The Album)“ veröffentlichte, schlug sich zwar tapfer in den Charts, konnte aber dennoch keinen Mega Erfolg für den Singer/Songwriter aus Nashville generieren. Ebenso hatte das gesamte Album nur kleinere Achtungserfolge erreicht. Nun also gibt es eine Deluxe Version mit dem Namen “ Flower Shops (The Album): Two Dozen Roses“ mit 13 hinzugefügten Tracks. Mit 24 Titeln also ein Doppelalbum, welches die Möglichkeit bietet, den Sänger ERNEST näher kennenzulernen. Mit dem Opener “Sucker For Small Towns“ outet er sich erst einmal als Liebhaber kleiner Ortschaften und der ländlichen Idylle. Bei “Tennessee Queen“ schmachtet er seine Angebetete an und diesen weichgespülten Sound und die teils schnulzigen Emotionen zelebriert ERNEST auch auf den folgenden Tracks. In diesem Sujet ist “Flower Shops“ komfortabel eingebettet. Ein Chartstürmer konnte das aber nicht werden. Zu rockig orientiert, ist der Zeitgeschmack und solche mitnehmenden Balladen haben es halt sehr schwer. In “If You Were Whiskey“ wird das alte und immer aktuelle Thema der Zerstörung einer Beziehung durch den Alkohol bedient. Neben dem Titelsong vielleicht die stärkste Nummer des Ursprungsalbums “Flower Shops (The Album)“. Die hinzugefügte Akustik Version von “Flower Shops“ offenbart das Potenzial des Songs und überzeugt. Die Titel der Deluxe Version sind uniformiert und schielen unverhohlen auf Radio Play. Warum auch nicht? Nachvollziehbar und zum Schmunzeln geeignet ist der Titel “Drunk With My Friends“ in welchem ERNEST davon erzählt, dass die Fische nicht beißen aber das Bier schmeckt und die Angebetete nun echt angepi…t ist. Immer wieder geht es um das Thema Alkohol, so dass man beinahe versucht ist, einen autobiografischen Hintergrund zu vermuten. “Anything But Sober“ ist wieder solch ein Titel. Mit Kollege Dean Dillon folgt mit “What Have I Got To Lose“ eine herzzerreißende Ballade über die bittere Erkenntnis, dass “Sie“ nun fort ist und es nichts mehr zu verlieren gibt. ERNEST bleibt seinem romantisch verklärten und bittersüßen Stil bis zum Ende der Deluxe Version seines Albums “ Flower Shops (The Album): Two Dozen Roses“ treu, wobei einige Titel sehr simpel gestrickt sind. Auch das Doppelalbum wird ERNEST nicht ganz nach oben katapultieren.
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Robert Abernathy – Country Roots
(VÖ: 20.01.2023)
Mit dem ersten Titel “Don’t Take Me Serious“ seines Albums “Country Roots“ gibt Robert Abernathy sogleich das Motto vor, dem man leicht folgen kann. Das, was als Country Wurzeln überschrieben ist, entpuppt sich als ein Sammelsurium von Stilmischungen, die sich mit der einen oder anderen Country Attitüde vermengen. Mal Rock, mal Pop dann wieder R&B, er macht es nicht leicht die Country Wurzeln zu erkennen. Dennoch findet man Country Music etwa bei “Should Have Taken Him Fishing“ oder bei “Storm Worth The Ride“. Und dann hat Robert Abernathy seine Coverversionen von “Paint Me A Birmingham“, einst ein Top Five Hit für Tracy Lawrence, und den Ronnie Milsap Klassiker “Stranger In My House“ zu bieten. Gerne hört man diese Hits in beinahe neuem Gewand. Doch die letzten drei Titel des 12 Tracks umfassenden Albums “Country Roots“ sind wieder den rockigen Klängen vorbehalten. Zu abrupt sind die Kehrtwendungen, die Robert Abernathy den Konsumenten hier zumutet. Zumal kein Titel wirklich herausragend scheint.
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Shania Twain – Queen Of Me
(VÖ: 03.02.2023)
Schon der erste Titel des lange erwarteten, weil angekündigten, Albums von Shania Twain macht klar, dass die Abräumerin der 1990er Jahre noch weiter in Richtung Pop abgedriftet ist. Die zwölf Titel auf ihrem neuen Album “Queen Of Me“ strotzen nur so vor Pop Music mit jeder Menge Computer Gedöns. Dabei kann man beim genauen Hinhören die Stimme einer gereiften Frau vernehmen, die wunderbar für Country Music geeignet ist. Würde Shania Twain doch nur wieder zu ihren Ursprüngen zurückkehren. Doch teilweise sind die Titel mit unglaublich, Verzeihung, dämlichen Popelementen gespickt, dass es beim Hören einem den Magen umdreht. Also zwölfmal schnell weitergeschaltet und sich eine gute halbe Stunde Enttäuschung erspart.
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Tim Stafford & Thomm Jutz – Lost Voices
(VÖ: 05.02.2023)
Dass sich der gebürtige Badenser Thomm Jutz in Nashville einen, mittlerweile geachteten, Namen als Produzent, Songschreiber und Interpret gemacht hat, wurde spätestens durch seine Grammy Nominierungen im Bereich Bluegrass deutlich. Für ihn ist die Bewahrung alter Melodien, alter Themen und Arrangements eine Herzensangelegenheit. Für das Album “Lost Voices“ hat er sich während der Pandemie Zeit mit Tim Stafford zusammengetan, um Songs zu schreiben. Tim Stafford, der Professor und Bluegrass Urgestein, hat sicher auch die Kontakte zu Dale Ann Bradley hergestellt, die vielfache Gewinnerin des Preises “Female Bluegrass Vocalist Of The Year“, die beim feinen Titel “Callie You“ den Gesangspart gestaltet. Nun mag es beeindruckendere Stimmen in der Country oder Bluegrass Szene geben, als Tim Stafford oder Thomm Jutz, aber die Feinfühligkeit mit der die beiden ihren Songs Leben einhauchen ist schon toll. Hinzu kommen Instrumente, die man gekonnter nicht einspielen kann. Musikgenuss garantiert. Folgt man den Themen, wird man auf The Great Depression ebenso aufmerksam gemacht, wie auf die, des Menschen innewohnende, Hoffnung auf bessere Tage. So ist das Album “Lost Voices“ ein sympathischer Widerstand gegen das Vergessen vergangener Motivationen, Erfahrungen in Musik zu fassen und zu berichten, was das Leben den Menschen oft aufbürdet. Das ist Musik für Liebhaber. Alle Fans von Mainstream und Radio Play lassen hier sicher mal aus. Doch “verlorene Stimmen“ sind mit dieser Produktion bestimmt vor dem Vergessenwerden gerettet. Die Bluegrass Fans wissen, was sie an Thomm Jutz und Tim Stafford haben.
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Brit Taylor – Kentucky Blue
(VÖ: 03.02.2023)
Wenn man an der Country Music Row, der Route 23 in Kentucky, aufwächst, ist Country Music vom Feinsten ein ständiger Begleiter. Schon so viele Künstler und Künstlerinnen stammen von dort. So auch Brit Taylor, die ihren Ausflug nach Nashville und ihre Bemühungen dort Fuß zu fassen, schnell als große Frustration verbuchen musste. „Ich will lieber beschi…ne Toiletten schrubben als beschi…ne Songs zu schreiben.“ Eine bittere Erkenntnis für die Sängerin und Songschreiberin aus Kentucky, die als ihre großen Idole u.a. Chris Stapleton, Loretta Lynn, Dwight Yoakam oder Patty Loveless nennt. Mit den Produzenten Sturgill Simpson und David Ferguson hat sie nun in Eigenregie mit eigenem Label ihr Album “Kentucky Blue“ am Start. Gleich mit einer Hymne auf die Abgeschiedenheit weit weg von Neon Lichtern geht es bei “Cabin In The Woods“ los. Etwas Bluegrass, etwas Drum Rhythmus und fertig. Ihrem Anspruch an gute Texte wird sie bei “Anything But You“ nicht unbedingt gerecht. Ein Liedchen. Ein Liebeslied sowohl für den Liebsten als auch für die Heimat Kentucky hat Brit Taylor mit “Kentucky Blue“ zum Titelsong ihres Album erkoren. Das Album ist melancholisch und hat trotz einiger Ausflüge in Pop Arrangements einen Country Bezug erhalten können. Einen besonderen Unterhaltungswert haben die zehn Titel des Albums “Kentucky Blue“ von Brit Taylor aber nicht. Einzig das Bekenntnis zu traditioneller Country Music, welches in der Stimme von Brit Taylor mitschwingt, kann ein Pluspunkt sein. Im Opener Track singt sie, dass sie manchmal schon Leute vermisst, die mit ihr am Lagerfeuer sitzen und der Musik frönen. Die Songs des Albums würden sicher dort ganz gut platziert sein.
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Chase Rice – I Hate Cowboys & All Dogs Go To Hell
(VÖ: 10.02.2023)
Nach dem Mega Erfolg des Titels “Cruise“ von Florida Georgia Line, an welchem Chase Rice mitgeschrieben hatte, wurde “Nashville“ auf den Mann aus North Carolina aufmerksam und seine Karriere sollte starten. Allerdings tat sie das bislang einigermaßen verhalten. Seit 2012 hat Chase Rice fünf Alben veröffentlicht, welche bis auf “Ignite The Night“ (2014) nicht groß beachtet wurden. Nun soll das neue Album “I Hate Cowboys & All Dogs Go To Hell“ ein neuer Anlauf für Chase Rice werden. Der Titel ist provokant und erlangt schon daher Aufmerksamkeit. Im Titel “All Dogs Go To Hell“ offenbart sich aber, dass es sich hier um ein umgekehrtes Songwriting handelt. Was negiert erzählt wird, soll in Wahrheit gelten. Beispiel: „Everybody knows the devil went down to Florida and everybody goes „Roll Tide“ up in Georgia. John Deere’s are blue and the bluegrass ain’t green. John Cash ain’t cool and George Strait ain’t king.“ Und so ist auch “Nein Schatz, ich vermisse dich überhaupt nicht“ in umgekehrtem Sinn gemeint. Mit “Bench Seat“ hat Chase Rice einen sehr nachdenklich machenden Titel aufgenommen und “Live Part Of Livin‘“ thematisiert das Erwachsenwerden. In unserer aktuell von Political Correctness verirrten und von Moralaposteln getadelten Gesellschaft, wäre ein Titel wie “A Bad Day For A Cold Beer“ kaum denkbar wenn das Wochenendvergnügen im Saloon mit jeder Menge kaltem Bier die Belastungen der vergangenen Woche vergessen machen soll. Und “Sorry Mama“ schon gar nicht, wo es um einen vom Whiskey geleiteten Sohn geht, der die Mutter um Verzeihung bittet. Zum Schluss des 13 Tracks umfassenden Albums “I Hate Cowboys & All Dogs Go To Hell“ wird bei “I Hate Cowboys“ auch aufgelöst, warum Chase Rice die Rodeo Cowboys so hasst. Sie mischen die örtlichen Saloons und die Mädchen ordentlich auf und sind dann wieder verschwunden. Die gebrochenen Herzen aber bleiben zurück. Manchmal hat Chase Rice akustische Musik im Angebot, manchmal sind die Titel rockig konzertant aufgemotzt. Dieses Album wird kein Meilenstein der Country Music. Es ist aber durchaus gute Unterhaltung.
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Easton Corbin – Let’s Do Country Right
(VÖ: 11.11.2022)
Da hat sich Easton Corbin die Latte selbst ganz hoch gelegt mit dem Titel seines Albums vom Herbst des vergangenen Jahres “Let’s Do Country Right“. Was richtige Country Music ist und was immer wieder teils heftige Verbiegungen aushalten muss, wird ja leidenschaftlich kontrovers diskutiert. Easton Corbin versteht seine Country Music als traditionsgegründet aber mit jeder Menge Pop Music und Rock verändert. Gerade der Titelsong kann seiner Headline nicht gerecht werden. Neben all den “angepassten“ Country Songs hat Easton Corbin aber auch Titel zu bieten, die, wie “Whiskey Don’t Take Me Back“ den Country Spirit umsetzen. Der verdammte Schnaps ist einfach nicht die richtige Medizin um wieder zum alten Leben und der Beziehung zurück zu führen. Leider sind solche Töne auf dem Album in der Minderheit. Nur der Schlusstitel “In It“ kann da noch einmal für feine Stimmung sorgen. Das Album “Let’s Do Country Right“ erweist sich musikalisch als “eierlegende Wollmilchsau“ und lässt eine Konsequenz im Sinne des Titels leider vermissen. Nach acht Jahren seit dem letzten Album durfte man mehr erwarten als dem Zeitgeist und den Radio Plays hinterher zu hecheln.
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HARDY – The Mocking Bird & The Crow
(VÖ: 20.01.2023)
Im Jahr 2022 wurde Michael Wilson Hardy bei den Academy Of Country Music Awards als bester Songwriter Of The Year ausgezeichnet. Er nennt sich einfach HARDY und veröffentlicht nun sein viertes Studioalbum. Mit 17 Tracks ist das Album “The Mocking Bird & The Crow“ sehr üppig ausgefallen und das hat einen Grund. Während die ersten acht Titel noch einigermaßen an Country Music der Neuzeit anknüpfen, wird es ab Track Nummer 9 zunehmend rockiger und entfernt sich von Country Music, selbst der aktuell gern gesehenen Rock Country Abwege. Da ist der Titel Nummer 14 “I Ain’t In The Country No More“ zum Programm. Fans wirklicher Country Music werden hier mit Schaudern zuhören. Oder sie schalten vorher ab. Selbst die Versuchung auf die Texte zu hören, handelt es sich doch um einen prämierten Songschreiber, hält sich in Grenzen. Freunde von Country Rock werden mit den ersten Tracks bedient. Ob sie dann auch den Rocker in sich entdecken, sei dahingestellt. Diesen Versuch von HARDY mit seinem Album “The Mocking Bird & The Crow“ hat tatsächlich etwas von einer “Spottdrossel“, die Country Fans provozieren möchte.
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The Gibson Brothers – Darkest Hour
(VÖ: 27.01.2023)
Kein Geringerer als Jerry Douglas hat als Producer die Verantwortung für das neue Album “Darkest Hour“ der Gibson Brothers übernommen. Eric und Leigh Gibson sind Bluegrass Fans seit Langem bekannt. Ihr Bluegrass, der auch manchmal in Richtung Americana gehen kann, ihr klarer und harmonischer Gesang und letztlich ihre Songauswahl machen ihre Alben so hörenswert. Wenn, wie in diesem Fall, der Altmeister der Dobro Jerry Douglas sein Können beisteuert, ist ein Hörgenuss garantiert. “I Feel The Same As You“ ist ein wunderbar vorgetragenes Stück, “Shut Up And Dance“ und “I Go Driving“ sind genauso mitnehmend wie ungewöhnlich für ein Bluegrass Duo. Der Titelsong “Darkest Hour“ bedarf keiner Übersetzung, wenn man bereit ist, den emotionsgeladenen Melodien zu folgen. Bei “Dust“ darf dann einmal Highspeed Bluegrass in den Vordergrund treten. “Darkest Hour“ ist ein Album, welches Bluegrass mit feinem Songwriting, gut durchdachtem Arrangement und tollen Künstlern an den Instrumenten verbindet. Von wegen Bluegrass. Hier ist eine richtig tolle Mischung gelungen. Diese halbe Stunde bietet beste Unterhaltung.
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Tyler Hubbard – Tyler Hubbard
(VÖ: 27.01.2023)
Ein Album nach ihm selbst benannt, kann nicht verhehlen, dass diese Musik schon genügend im Repertoire des Duos mit Kollege Brian Kelley präsentiert wurde. Also, Fans von Florida Georgie Line sollte dieses Album von Tyler Hubbard, welches einfallslos “Tyler Hubbard“ heißt, Freude bereiten. Allen anderen sei der Griff nach dieser Musik, die die Country Music immer wieder negiert, eher nicht zu empfehlen. Okay, der Radio Knaller “5 Foot 9“ scheint gerade viral zu gehen. Aber 17 Tracks, mehr oder weniger derselbe Sound, das gleiche Arrangement und die gleiche Stimme sind ermüdend. Wer da annähernd eine Stunde aushält…alle Achtung.
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Bill Evans – Things Are Simple
(VÖ: 13.01.2023)
Mit dem Steve Martin Banjo Prize 2022 wurde Bill Evans noch im November 2022 hoch geehrt und nun legt er sein neues Album “Things Are Simple“ vor. Bill Evans beschreibt sein Album so: “Things Are Simple ist eine musikalische Biografie, buchstäblich eine musikalische Beschreibung all dessen, was mir und meiner Familie in den letzten Jahren widerfahren ist. Diese Aufnahme zeichnet unsere Reise von der Trauer zur Freude nach und konzentriert sich auf die Liebe und den Zusammenhalt der Familie. Ich wollte die Aufmerksamkeit des Hörers auf die Melodien und die kontemplative Stimmung dieser Stücke lenken, und wir haben versucht, das Spiel so einfach und so schön wie möglich zu halten. Ich bin so stolz auf die Arbeit, die jeder bei dieser Aufnahme geleistet hat. Ich hoffe, dass Sie an dieser Aufnahme noch viele Jahre lang Freude haben werden und darin eine Bedeutung finden.“ Für die Umsetzung seines Anspruches hat er sich herausragende Musiker ins Studio geholt. John Reischman zelebriert die Mandoline, Jim Nunally fügt gefühlvolle Gitarrenklänge hinzu, Chad Manning sorgt mit seiner Fiddle für einen samtweichen Klangteppich und Sharon Gilchrist bildet mit dem Bass den Rückhalt in Tempo und Tiefe. Als Leadsänger ist Bill Evans vielleicht nicht in der gleichen Liga wie als Banjo Spieler doch sein “True He’s Gone“ ist eindringlich und erinnert nostalgisch arrangiert an vergangene Zeiten des Folk Country. Auch der Titelsong ist ein Duett mit Ehefrau Babi und handelt von deren Eheschließung. Unter den zehn Tracks des Albums sind natürlich auch virtuose Highspeed Titel wie “Gertie & Jake“ oder “Chinquapin Hunting“. Und immer wieder ruhigere Bluegrass Titel, die zum Ausruhen einladen. Etwa “Road To Ruidoso“, “Midnight In Rosine“ oder der über sechs Minuten währende “Black Range Waltz“. Die erwähnte “Reise von der Trauer zur Freude“ ist Bill Evans mit dieser feinen Musik auf seinem Album “Things Are Simple“ gelungen.
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Colton James – America
(VÖ: 20.01.2023)
Colton James ist sich und seiner Liebe zu seiner Familie, seinem Land und seinem Gott musikalisch treu geblieben. Schon mit der Single und dem Opener “I Miss America“ auf seinem Album “America“, beschwört er rückwärtsgewandt die gute alte Zeit und die Werte seines Landes, die er schwinden sieht. So bleibt Colton James der Vorzeige Patriot, der er aus voller Überzeugung ist. Doch auch Liebesballaden kann er transportieren. Etwa bei “Ring On Her Finger“, wo er den Ring am Finger seiner Angebeteten sieht, die seinen besten Freund geheiratet hat. “47 Acre Farm“ erinnert an den Großvater und das harte Landleben und in “Richest Man Alive“ singt er die Hymne auf die Frau mit der er sein Leben teilt. Colton James erzählt mit klaren Worten und überwindet leicht Sprachbarrieren. Hinzu kommt ein rockiger erdiger Country Sound, der seine Geschichten hervorragend unterstreicht. Die Hommage an die Truppen fehlt nicht und Colton James entbietet im Ich-Erzähler Stil seine Ehrerbietung in “Brave Men“. Das einfach gezeichnete Bild des gelobten Lebens in seinem America hat natürlich den “American Farmer“ im letzten der sieben Songs nicht ausgelassen. “America“ von Colton James ist ein durch und durch patriotisches Album, welches ganz sicher den Nerv der erzkonservativen Fans in Amerika trifft.
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Elle King – Come Get Your Wife
(VÖ: 27.01.2023)
Ihren Musikstil bezeichnet Tanner Elle Schneider, Künstlername Elle King, ständig wechselnd zwischen Blues, Soul, Rock und auch Country. Zu dieser Aufzählung gehört unbedingt auch Pop Music. Elle King in eine musikalische Schublade stecken zu wollen, wird nicht gelingen. Hinzu kommt, dass die in Los Angeles geborene Sängerin auch als Songschreiberin und Schauspielerin ihre musischen Talente auslebt. Dierks Bentley überredete Elle King ein Country Album aufzunehmen. Es wäre aber nicht Elle King, wenn es ein klassisch traditionelles Country Music Album geworden wäre. Obwohl das Duett mit eben jenem Dierks Bentley “Worth A Shot“, ein Spiel mit dem Feuer um ein Wiederauferstehen der vergangenen Beziehung, inhaltlich country ist. Einen gehörigen Schuss Pop bringt Elle King mit in diesen Titel. Elle King singt ihr “Lucky“ mit solcher Zerrissenheit, dass man auch ohne den Text zu verstehen weiß, um welche Gefühle es sich handelt. Bei “Tulsa“ ruft sie dem verschwundenen Ex einige Schmähungen nach und ist plötzlich eine Femme Fatale. Mit “Blacked Out“ und “Out Yonder“ wird es richtig rockig und mit einem bluesigen “Love Go By“ endet das 12 Tracks umfassende Album “Come Get Your Wife“. Ach ja, da ist noch der Radio Smash Hit “Drunk (And I Don’t Wanna Go Home)“ mit Kollegin Miranda Lambert, der nach fast 30 Jahren (damals mit “Does He Love You“ von Reba McEntire und Linda Davis) erneut für ein Frauen Duo einen Top One Erfolg einbrachte. Wo auch immer der Album Titel herkommen mag, “Come Get Your Wife“ ist ein bemerkenswertes Album von Elle King. Sie wird weiterhin ihren eigenen Weg gehen. Bleibt zu hoffen, dass sie einmal wieder Gefallen an Country Music findet. Für dieses Genre ist Elle King ganz sicher eine Bereicherung.
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Margo Price – Strays
(VÖ: 13.01.2023)
Margo Price ist eine Sängerin aus Nashville, die die Grenzen der Country Music erweitern möchte. Mit ihrem vierten Album “Strays“ hat sie sich ein Genre ausgesucht, das schon seit den 1960 Jahren als Cosmic Country bekannt ist. Damals hat man in allen Genres der Musik die Grenzen ausgetestet. Entweder mit psychedelischen Drogen oder mit ersten Versuchen, verschiedene Genres miteinander zu verbinden. Experimentell ist diese Musik und verwirrt zunächst. So ist auch der Hörgenuss des Albums “Strays“ von Margo Price für Konsumenten, die Country Music erwarteten, eher abschreckend. Lässt man die Lyrics einmal außen vor, denen man gerne folgt, wenn die Musik das Herz trifft, bleibt ein Album, das vor lauter experimenteller und psychedelischer Ektasen den Weg zu Country Music verstellt. Zehn Titel von denen man keinen einzigen Country Fan vom Hocker reißen kann. “Strays“ könnte man auch als Irrläufer übersetzen und so klingt das auch. Ob es dafür Fans gibt?
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Nathan Carter – The Morning After
(VÖ: 27.10.2022)
Fleißig ist er, der britisch-irische Interpret Nathan Carter. Mit “The Morning After“ hat er seit 2007 nun sein 13. Studioalbum veröffentlicht. Auch diesmal wieder mischt er Cover Songs, Traditionals und eigenes Material und sorgt mit den 12 Tracks des Albums für genügend Abwechslung. Mit fröhlichem Cajun Sound beginnt das Album mit dem Titelsong, gefolgt vom Cover des Tim McGraw Hits “Humble And Kind“. An den Hall & Oates Titel “You Make My Dreams Come True“ wagt er sich genauso, wie an den Shanty Song “Heave Away“. Bei “Keg Of Brandy“ wird man in den irischen Pub versetzt und das anschließende “Conway Twitty Medley“ ist fein gemacht und wird gefolgt vom Johnny Rodriguez Knaller “Ridin‘ My Thumb To Mexico“. Wenn mit “How Great Thou Art“ das Album endet, hat man ein musikalisches Allerlei gehört, welches mal Pop Music mal irische Volksmusik und andeutungsweise Country Music präsentiert. Nathan Carter hat eine angenehme Stimme, die durchaus mehr zu bieten hat als in alten Regalen irgendwelche Klassiker aufzustöbern. “The Morning After“ hinterlässt tatsächlich einen Eindruck wie die selbstkritische Frage am Morgen danach…
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Pony Bradshaw – North Georgia Rounder
(VÖ: 27.01.2023)
Schwere Kost hat Pony Bradshaw auf seinem Album “North Georgia Rounder“ zu bieten. Seine Musik ist in fast allen der acht Tracks schwermütig, düster und bluesig. Dabei beginnt das Album mit “Foxfire Wine“ noch recht beschwingt. Doch die metaphorisch verschwurbelten Texte können keinen unverstellten Hörgenuss anbieten. Nach einer guten halben Stunde, wenn man durchhält, ist man reif für eine emotionale Lockerung. In die Charts kommt so etwas niemals und fröhliche Unterhaltung ist anders. Ganz anders.